Es ist Mitte Juli, und der Sommer steuert auf seinen Höhepunkt zu. In die aufsteigende Urlaubsstille hinein dröhnt noch einmal die Erinnerung an die Debattenkultur der letzten Monate. Die hätte auch einen (qualitativen) Anstieg gebrauchen können, meint man, bei all‘ den wichtigen Themen von (immer noch) Krieg, über (immer noch) Inflation bis hin zum aktuellen Aufreger: ChatGPT und die Frage, ob Arbeitsplätze schmelzen wie Eis in der Sonne. Positionierungschancen für CEOs also, wohin man schaut. Eigentlich.
Gleichzeitig gibt sich die Kommunikationslandschaft einer bedenklichen Paralyse hin: Während die Nachfrage nach ernsthaften Lösungen rasant steigt, stürzt die Qualität der öffentlichen Debatten im selben Tempo ab.
LinkedIn entgleitet immer mehr ins Seichte und dreht gleichzeitig irre auf. Mit sehr vielen, sehr betroffenen und mitteilungsbedürftigen Menschen. Und einst solide Wirtschaftsmedien wie das Manager Magazin rutschen auf dieser Seifenspur hinterher. Sie arbeiten sich an einem Begrüßungspost des neuen Thyssenkrupp-CEOs ab oder küren Teetrinken und Innehalten als relevante Effizienzhacks einer Top-Anwältin.
Und es stellt CEOs und deren Unternehmen vor echte Probleme. Sollen sie mitmachen im neuen Unterhaltungszirkus? Welche Themen sollen sie bespielen, wenn Flachheit das neue Sexy ist? Hört bei ernsten Debatten überhaupt noch jemand zu?
Die Antwort auf die letzte Frage lautet: Ja. Definitiv. Man könnte in Abwandlung eines berühmten Michelle Obama-Satzes sagen: „If they go wild, we go cool!“
Menschen wollen Lösungen sehen und hören. Dabei schlägt Substanz immer Taktik. So wie Konstanzimmer Sprunghaftigkeit aussticht. Dazu gehören eine eigene Haltung, etwas Mut und ein starkes strategisches Narrativ. Mit dessen Hilfe ziehen Entscheider eine nachhaltige Linie in öffentliche Debatten. Denn Narrative führen vom Situativen weg und hin zum Grundsätzlichen und zur echten Wirkung.
Beschrieben werden darin auf zwei bis drei Seiten die Ziele, Ambitionen, die (tieferen) Bedürfnisse und offenkundigen Bedarfe der wichtigsten Stakeholder, die wichtigsten Unternehmensinitiativen und Produkte, die verantwortlichen Bereiche etc. Generische Managementfloskeln oder Denglisch sind strikt verboten. Stattdessen gibt es verständliche Worte und einfache Hauptbotschaften.
Diese wiederum sind die Anknüpfungspunkte für den anschließenden Kommunikations- und Contentplan und das Business Storytelling in Analystenmeetings, Management Meetings, Videobotschaften und Townhall Calls für Mitarbeiter oder eben auch für die gesamte (sozial-) mediale Kommunikation.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Die Anzahl der Follower erhöht die Chance, gehört zu werden, aber kein Vorstand sollte zur bloßen Image-Politur auf kurzen Themen-Hypes surfen und auf kurzfristige Clicks schauen. Wer als Personen- bzw. Expertenmarke langfristig erfolgreich sein will, bestimmt zuerst seinen inhaltlichen Kern, seine Positionierung, seine Haltung, seine strategischen Narrative und bleibt dann dabei.
Sie suchen Beispiele für „Inspirational Leaders“, die ihre Narrative konsequent und erfolgreich umsetzen?
Ola Källenius, Mercedes-Benz, transportiert mit hoher thematischer Spurtreue – und damit kommunikativ wirkungsvoll und zugleich sozusagen energiesparend – seine Vision von „nachhaltigem Luxus“.
Tim Höttges, Deutsche Telekom, sorgt sichtbar, volksnah und verständlich für die Digitalisierung Deutschlands. Auf der Website wird die Telekom-Strategie übrigens vorbildlich kurz und in einfachen, menschennahen Worten dargelegt.
Für Topleute, deren Unternehmen nicht im DAX sind und damit automatisch im Rampenlicht stehen, könnten Torsten Leue, CEO des Versicherungskonzerns Talanx, und Anna-Theresa Korbutt, Geschäftsführerin beim Hamburger Verkehrsverbund, gute Referenzen sein.
Anna-Theresa Korbutt ist eine erfahrene und dynamische Verkehrsexpertin mit Karrierestationen beider Deutschen und Österreichischen Bahn. Nun entwickelt sie den Hamburger Verkehrsverbund (HVV) weiter und bindet ihn in eine neue deutsche Verkehrspolitik ein. Die Mobilitätswende macht sie mit einer sympathischen Mischung aus professionell-persönlichen Überzeugungen und Erlebnissen und Sachentscheidungen nachvollziehbar.
Torsten Leues LinkedIn-Kommunikation ist unaufgeregt, textlich-visuell superklar gestaltet. Er spricht Themen, die er für strategisch wichtig hält, schnörkellos an. Zwei seiner Narrative zielen auf „Gemeinschaft“ und „Kultur“ ab. Das hört man eher selten und dürfte der Generation Z gefallen.
Um zum Ausgangspunkt “If they go wild, we go cool” zurückzukehren: Wenn viele andere die Lautstärke um sich herum hoch drehen, dann scheint es Überwindung zu kosten, sich auf die eigene Kombination aus Können, echten Überzeugungen und persönlicher Kommunikationsfähigkeit zu besinnen. Aber genau das ist der wirksamere Weg. CEOs, die das – beraten und unterstützt von ihren Kommunikationsteams – beherzigen, schaffen Konstanz, emotionale Bindungen und damit Vertrauen. Und das ist immer noch die wichtigste Währung in der Kommunikation. Denn Inspirational Leaders möchten gemeinsam mit anderen Menschen etwas im realen Leben bewegen. Nicht nur in Social Media. Dazu benötigen sie echtes Vertrauen über LinkedIn hinaus – und nicht nur das Augenblicksglück vieler Clicks.