Schon die Gründer Gary Burrell und Min Kao (der Markennamen Garmin ist ein Kürzel ihrer Vornamen) verankerten den Grundsatz in dem Ingenieur-Unternehmen, dass Mitarbeiter:innen die Freiheit haben sollen, sich die passenden Produkte für Kund:innen auszudenken. Schon bald erfanden diese Mitarbeiter:innen die erste Laufuhr mit GPS. Ein noch etwas schlichtes Gerät – aber es traf den Nerv von leistungsorientierten Sportler:innen.
Es wurde fortlaufend weiterentwickelt,heute ist Garmin die dominierende Marke an den Handgelenken und an den Bikes der Iron Man Teilnehmenden auf Hawaii.. Superpräzise, lange Batterielaufzeit, ultrarobust. Unternehmerische Fehlorientierungen gab es zwischendurch auch. Als 2007 das iphone auf den Markt kam und private Navis überflüssig machte, war Garmin versucht, in den Smartphone-Markt einzusteigen. Aber das Unternehmen besann sich auf seine Identität, leistungsfähige Geräte für Fitness und Outdoor zu bauen. Ab 2012 wuchs Garmin dann nahezu lautlos und immer schneller von einem Millionen- zu einem börsennotierten Milliardenunternehmen.
Die innere Mechanik hinter dem Wachstum ist die ausdrückliche Bottom-up-Kultur. Der Anstoß zur ersten Laufuhr kam von den eigenen Ingenieuren, als die Firma noch im Navigationsgeschäft war, mit dem sie bis in die 2000er hinein 70 Prozent ihres Umsatzes machte. Das heutige Uhrenportfolio wirkt auf einen Außenstehenden nahezu unüberschaubar. Doch die Kund:innen finden sich blendend zurecht, weil für jede/n das Passende dabei ist. Das Angebot ist von Mitarbeiter:innen gemacht, die selbst diese Produkte haben möchten und denselben hohen Leistungsanspruch besitzen.
Es gibt zahlreiche Innovationsprozesse, aber sie gehören nicht exklusiv der Produktentwicklung. Ideen für neue Produkte können von allen Mitarbeiter:innen kommen. Zum Beispiel bietet Garmin einen Tauchcomputer an, der ursprünglich von einem IT-Mitarbeiter erdacht wurde, der selbst Taucher ist. Gemeinsam mit den Ingenieuren wurde daraus ein erfolgreiches Produkt. Garmin möchte kein hippes Lifestyle-Unternehmen sein, sondern mit persönlicher Leidenschaft die Leistungsorientierung seiner Kund:innen unterstützen. Oder wie es der Claim sagt: Engineered on the inside for a life on the outside.
Die Befähigung der Mitarbeiter:innen zu solchen Handlungen ist tief im Bewusstsein aller Angestellten angesiedelt und dreht sich in der Umsetzung um die zwei Worte „Servant Leadership“. Dienende Führung. Sie lässt sich am ehesten wohl als „befähigen statt befehlen“ übersetzen.
Kai Tutschke: „In deutschen Ohren klingt der Begriff ‚dienen‘ im Zusammenhang mit ‚Führung‘ erst einmal paradox, würde ich behaupten. Im Kern bedeutet es: Du nimmst Dich als Führungskraft zurück. Jeder soll immer und überall seine Meinung sagen können. Auch wenn sie konträr zu der von Kolleg:innen oder von den Chefinnen und Chefs ist.“
Aber der Anspruch geht noch weiter. Die Menschen im Unternehmen sollen sich wohl fühlen. „The product really isn’t everything. The people are everything“, sagte Gründer Burrel. „We care for one another.“ Kai Tutschke: „Das erfordert mehr Zeit als eine Basta-Kultur, zahlt sich aber hundertfach aus.“ Es mache das Unternehmen kompakt und kraftvoll. „Man hält das Ganze zusammen, indem man es vorlebt. Fast alle Führungskräfte sind Eigengewächse, es wird kein Druck gemacht, es gibt keine Bonussysteme, es gibt wenige Reports.“ Management durch offene Augen und Ohren. „Man sieht und hört hin, es gibt keine Umfragen dafür.“
Aktive Kommunikation ist ein wichtiger Faktor. Jede Führungskraft hat die Freiheit, auf ihre Art und Weise zu kommunizieren. Dennoch wurde es nun als Thema hervorgehoben. Tutschke: „Es geht nicht darum, den Kolleg:innen Vorgaben für ihre Kommunikation zu machen, sondern sie darin zu unterstützen, ihre persönlichen Fähigkeiten als Manager:innen besser zu entfalten. Wo es Konflikte gibt, basieren diese meistens auf Missgeschicken in der Kommunikation.“
Die drei ausformulierten Elemente der Management-Kommunikation lauten: Eloquenz, Berechenbarkeit, Empathie.
„Eloquenz bedeutet bei uns beispielsweise nicht, dass jemand ein:e Redekünstler:in ist,“ so Tutschke, „sondern dass man ausdrücken kann, was man ausdrücken möchte, und sich darin übt.“ Am Ende gehe es um das Vertrauen der Mitarbeiter:innen. „Die Leute sollen kommen, wenn etwas nicht passt.“
Garmin ist ein Unternehmen, das immer Neues entwickelt und damit selbst immer in der Entwicklung ist. Es wird zwar durch eine helfende und unterstützende Kultur getragen, aber der vereinende Gedanke ist ein anderer. Alle Mitarbeiter:innen, so Tutschke, können sich damit identifizieren, dass ein aktives Leben zu einem erfüllten Leben führen kann. Das übergeordnete Thema ist also Gesundheit, zu der Bewegung und Sport einen großen Teil beitragen.
Die Hälfte aller Deutschen treibt regelmäßig Sport. Und ein ganz wesentlicher Antrieb ist ihre Hoffnung, dadurch dauerhaft gesund zu bleiben. Wer an dieser Stelle nicht die Kraft versteht, die von einem solchen übergeordneten Nutzen ausgeht, der hat die Garmin-Kund:innen und Mitarbeiter:innen nicht verstanden. Denn kein Sportler geht raus und läuft, nur weil er eine schicke Uhr trägt. Die Uhr mit Navi und Leistungsdaten zeigt vielmehr den Weg zu einem besseren, weil gesundem Leben.