Warum nicht Premiumnische?
Wir reden im öffentlichen Raum gerade viel über die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands. Die Leitfrage lautet in leichten Abwandlungen dabei meistens: “Wie kann Deutschland wirtschaftlich wieder Deutschland werden?”
Erfinderisch, fleissig und diszipliniert. Und – natürlich - technisch überlegen.
Das ist das Narrativ, an das (vermeintliche) Lösungen immer wieder anknüpfen: wieder groß und stark werden. Und möglicherweise ist es ein strategischer Fehler - eine Denkfalle, um ein altes Narrativ herum gebaut.
Auf der Suche nach neuen Lösungen kann man neue Denkräume eröffnen - oder sie mit plausibel klingenden, aber überholten Narrativen zunageln.
Zuerst das Positivbeispiel:
Jüngst gab es in der FAZ ein Interview mit BDI-Präsident Peter Leibinger. Mit frischer Differenziertheit zeigt er darin Möglichkeiten auf, wie die deutsche Wirtschaft an internationaler Wettbewerbsstärke gewinnen könnte. Er benennt Stärken und Schwächen und räumt Klischees leichthändig ab.
Zum Beispiel jenes, dass es “die Ehre des deutschen Ingenieurs” verletze, wenn man auf Know-how aus China angewiesen sei. Er sei Ingenieur, seinen Berufsstolz verletze es nicht, antwortet Leibinger. Vielmehr habe er gelernt, dass man in vielen Bereichen “allein eigentlich gar nichts kann”.
Seine Botschaft: Wir sollten offen sein für alle möglichen Konstellationen, unabhängig vom populistischen Lärm in der öffentlichen Debatte.
Im Kontrast dazu stehen andere aktuelle Ideen, die den etwas verstaubten Duft “deutscher Tugenden” tragen:
Wir verweisen gerne auf die Größe der deutschen Volkswirtschaft, aber unter den 100 umsatzstärksten Unternehmen der Welt sind nur fünf deutsche. USA: 39, China: 27, Frankreich: drei, UK: drei, Italien: zwei, Schweiz: zwei.
Die deutsche Größe-Vorstellung ist inzwischen eher Strategie-Romantik. Zwischen China und den USA sind wir mit 83 Millionen Einwohnern mehr ein Nischenmarkt. Da wäre “Premiumnische” nicht das Schlechteste.
Aber: Viele Briten wollten beim Brexit ihr “country back”. Wir Deutschen wünschen uns unser “Wirtschaftswunder back”. Es steckt noch tief in unseren Köpfen. Aber dort steckt es leider auch fest, und verbraucht Aufmerksamkeit, die wir für Neues benötigen.
Unser Fokus sollte weg von alten hin zu neuen Lösungen schwenken:
Wo die neuen Narrative für unsere Unternehmen liegen? Genau dort, wo sie momentan nicht sind: bei Tempo, Mut, Leichtigkeit, Smartness, Ehrlichkeit, Bereitschaft zur Entwicklung, sogar bis hin zur Neuerfindung eines – eigentlich/noch- solide laufenden Geschäfts.
Wir sollten uns von der alten “Größe”-Halluzination lösen und eher die Mutigsten, die Besten, die Schnellsten und die mit der besten Bildung sein wollen. Der erste Schritt dorthin: Alte Narrative durch neue ersetzen.
Weg von der reinen Effizienzstory – hin zur Geschichte, die etwas über den überragenden Nutzen der neuesten Produkte und die frische Innovationskultur eines Unternehmens aussagt. Jedes Unternehmen braucht ein plausibles Zukunfts-Narrativ mit Strahlkraft, das die Wende in den Köpfen einleitet und positiv neue Potenziale schafft.