Warum nicht Premiumnische?

26. Juni 2025
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Wir reden im öffentlichen Raum gerade viel über die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands. Die Leitfrage lautet in leichten Abwandlungen dabei meistens: “Wie kann Deutschland wirtschaftlich wieder Deutschland werden?”

Erfinderisch, fleissig und diszipliniert. Und – natürlich - technisch überlegen.

Das ist das Narrativ, an das (vermeintliche) Lösungen immer wieder anknüpfen: wieder groß und stark werden. Und möglicherweise ist es ein strategischer Fehler - eine Denkfalle, um ein altes Narrativ herum gebaut.

Auf der Suche nach neuen Lösungen kann man neue Denkräume eröffnen - oder sie mit plausibel klingenden, aber überholten Narrativen zunageln.

Zuerst das Positivbeispiel:

Jüngst gab es in der FAZ ein Interview mit BDI-Präsident Peter Leibinger. Mit frischer Differenziertheit zeigt er darin Möglichkeiten auf, wie die deutsche Wirtschaft an internationaler Wettbewerbsstärke gewinnen könnte. Er benennt Stärken und Schwächen und räumt Klischees leichthändig ab.

Zum Beispiel jenes, dass es “die Ehre des deutschen Ingenieurs” verletze, wenn man auf Know-how aus China angewiesen sei. Er sei Ingenieur, seinen Berufsstolz verletze es nicht, antwortet Leibinger. Vielmehr habe er gelernt, dass man in vielen Bereichen “allein eigentlich gar nichts kann”.

Seine Botschaft: Wir sollten offen sein für alle möglichen Konstellationen, unabhängig vom populistischen Lärm in der öffentlichen Debatte.

Im Kontrast dazu stehen andere aktuelle Ideen, die den etwas verstaubten Duft “deutscher Tugenden” tragen:

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Es soll wieder länger gearbeitet werden. Das kann man machen, und vielleicht muss man es sogar. Aber dadurch werden wir nicht innovativer und fortschrittlicher, sondern erst einmal nur effizienter. Man bekommt vom Gleichen mehr.
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Die junge Generation soll nicht so anspruchsvoll sein und lieber wieder härter arbeiten. Klingt nach einer populistischen Nebenbaustelle. Regt alle schön auf, löst aber kein echtes, großes Problem.
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Die deutsche Definition von Innovation. Klar, es kann um lupenreine, originäre technische Erfindungen gehen. Aber inzwischen geht es häufiger eher um Tempo, Finanzierung in großem Stil, Anwendungsinnovationen und globalen Punch in der Vermarktung. Letzteres ist nicht gerade unsere Stärke, obwohl hier das Geld verdient wird.
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Wir verweisen gerne auf die Größe der deutschen Volkswirtschaft, aber unter den 100 umsatzstärksten Unternehmen der Welt sind nur fünf deutsche. USA: 39, China: 27, Frankreich: drei, UK: drei, Italien: zwei, Schweiz: zwei.

Die deutsche Größe-Vorstellung ist inzwischen eher Strategie-Romantik. Zwischen China und den USA sind wir mit 83 Millionen Einwohnern mehr ein Nischenmarkt. Da wäre “Premiumnische” nicht das Schlechteste.

Aber: Viele Briten wollten beim Brexit ihr “country back”. Wir Deutschen wünschen uns unser “Wirtschaftswunder back”. Es steckt noch tief in unseren Köpfen. Aber dort steckt es leider auch fest, und verbraucht Aufmerksamkeit, die wir für Neues benötigen.

Unser Fokus sollte weg von alten hin zu neuen Lösungen schwenken:

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Größe ist schön, Tempo ist wichtiger. Einfallsreicher, schneller zu sein, ist entscheidend, wenn es um neues Wachstum geht. Die digitale Transformation ist für viele Unternehmen auch deshalb immer noch ein echtes Problem, weil alte Organisationsformen und Denkweisen auf- und abgelöst werden müssten. Und zwar sehr schnell.
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Freude am Neuen/Mut zu Neuem. Momentan warten wir immer noch auf ein zweites Wirtschaftswunder: Und zwar darauf, dass die Wirtschaft sprichwörtlich wie durch ein Wunder von alleine wieder besser läuft. Das wird sehr wahrscheinlich nicht passieren. Stattdessen sollten wir mutig neue Lösungen und Angebote nach vorne bringen.
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Was wiederum mehr Ehrlichkeit erfordert. Den eigenen Manager:innen, Mitarbeitenden und Investoren gegenüber. Transformation ist eine Entwicklung mit ungewissem Ausgang. Mitunter kann niemand vorher genau sagen, welche Arbeitsplätze in welcher Form am Ende dabei herauskommen. Solche Gedanken sind in Deutschland aber nicht beliebt. Noch hoffen wir alle auf automatischen Erfolg. Obwohl wir genau wissen, dass es ihn nicht gibt.
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Wo die neuen Narrative für unsere Unternehmen liegen? Genau dort, wo sie momentan nicht sind: bei Tempo, Mut, Leichtigkeit, Smartness, Ehrlichkeit, Bereitschaft zur Entwicklung, sogar bis hin zur Neuerfindung eines – eigentlich/noch- solide laufenden Geschäfts.

Wir sollten uns von der alten “Größe”-Halluzination lösen und eher die Mutigsten, die Besten, die Schnellsten und die mit der besten Bildung sein wollen. Der erste Schritt dorthin: Alte Narrative durch neue ersetzen.

Weg von der reinen Effizienzstory – hin zur Geschichte, die etwas über den überragenden Nutzen der neuesten Produkte und die frische Innovationskultur eines Unternehmens aussagt. Jedes Unternehmen braucht ein plausibles Zukunfts-Narrativ mit Strahlkraft, das die Wende in den Köpfen einleitet und positiv neue Potenziale schafft.